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GROZNY BLUES
von Nicola Bellucci, Dokumentarfilm, Schweiz 2015
MEDIENSTIMMEN
«Alles ist Inszenierung. Aber nichts ist inszeniert. In «Grozny Blues» flackern Fellinis Opulenz und Pasolinis philosophischer Scharfsinn auf. Belluccis Dokumentarfilm ist die karnevaleske Engführung von Stolz und Demütigung, es ist die Saga eines geopferten Volkes. Die Welt mag noch immer auf den grossen Berlin-Roman warten. Den grossen Grosny-Film hat sie jetzt.»
Andreas Saurer, Berner Zeitung
«Dem Regisseur ist ein Film gelungen, wie er im Genre des Dokumentarfilms selten ist: wahrhaftig und künstlerisch zugleich, berührend und informativ, genauso aufwühlend wie besänftigend. «Grozny Blues» ist so vielfältig, wie es Menschen sein können. Es geht um gefühlte Liebe und reale Zwänge, um Zwangsheiraten und Formen des Widerstands, um den Sinn des Kopftuchtragens genauso wie um Jazz, Rock und Blues, um indoktrinierte Jugendliche oder resignierte Erwachsene. Es geht um jenen Mut, der erwächst, wenn man nicht mehr viel zu verlieren hat - oder einfach nicht mehr zurückkann. Doch vorallem geht es darum, ein anderes, vielleicht menschlicheres Bild der Menschen in Tschetschenien in den Köpfen zu verankern.»
Sonja Wenger, ensuite, Zeitschrift zu Kultur und Kunst, Bern
««Grozny Blues» trifft mitten ins Herz, weil der Film die menschliche Existenz in einer schwierigen Umgebung so treffend einfängt. Die Ambivalenz zwischen Hoffnung und Resignation, Mut und der nötigen Anpassung wird eingefangen. In wunderbaren Bildern und mit Menschen, die sich so ehrlich vor der Kamera äussern, weil sie nichts zu verlieren haben. Es gibt wenige Dokumentarfilme mit so viel Tempo, die kein bisschen Tiefgang verloren haben. (...) Unbedingt schauen.»
Simon Kümin, maximumcinema.ch
«(...) Das Thema sind die Menschen, aber sein Film ist politisch. Hochgradig und in dem Sinn, dass der Film selbst politisch wird, indem er Vorstellungen neu arrangiert und frische Bilder im Kopf anregt. (...) «Grozny Blues» ist ein assoziativ gesponnenes Gewebe, kontrastreich und suggestiv, ein Film ohne Kommentar und Einblender. Kino der vielen Geschichten, die sich zu einem Bild zusammenfügen, das wenig zu tun hat mit den Klischees von den Kalaschnikowterroristen aus dem Kaukasus. Vielmehr sehen wir die Gleichzeitigkeit von Zerstörung und Alltag in Tschetschenien, von planierter Vergangenheit und surrealer Normalität. (...) Es scheint eine Form von karnevalesker Subversion zu geben in diesem Tschetschenien nach den Kriegen. Eine Art der schöpferischen Unterwanderung, die auch Nicola Bellucci als Mittel benutzt, wenn er in «Grozny Blues» die Zeiten verwirbelt. Er ruft die Verwüstung ins Gedächtnis, bis sie durch die Adern des Alltags läuft und die Bürotürme in Grosny wie Grabsteine wirken. Er erhält das Verschwundene am Leben, als Form eines Geister­bewusstseins in der Gegenwart. Er lässt die Dinge aufeinanderprallen, damit wir sie selber zusammenblenden. Wir erschrecken – und erkennen.»
Pascal Blum, Tages-Anzeiger, Zürich
«Dieser kaleidoskopische Dokumentarfilm liefert fragmentarische Erzählungen (...) aufwühlend.»
Bertrand Tappolet, Le Courrier, Genf
«(...) Packende Bilder und Szenen-Kompositionen (...) Der Film ist ein abgründiges Mosaik über engagierte Frauen in der gespenstischen Wolkenkratzer-Metropole Grosny.»
Reinhard Meier, Journal21.ch
««Grozny Blues» rekonstruiert die Vergangenheit und die Gegenwart dieser traumatisierten Region: zwei Stunden Gänsehaut während deren abwechselnd Archivvideomaterial und Manifestationen des gegenwärtigen Neofaschismus sowie des kollektiven Vergessens gezeigt werden.»
Carlota Mosegui, El antepenúltimo mohicano, Cáceres, Spanien
«Jedes Mal, wenn «Grozny Blues» ein relativ alltägliches Bild des Lebens in der Stadt zeigt, dann wenn man den Atem wieder los lässt, sich sicher fühlt und denkt, dass es dort vielleicht doch nicht so schlimm sei, zeigt Nicola Bellucci Filmmaterial, das die Frauen während den Kriegen aufgenommen haben, voller Zerstörung, Elend und Tod. (...) Wenn keine bessere Zukunft für Grozny in Sicht ist, dann sollte zumindest jeder über die Ereignisse Bescheid wissen, die dazu geführt haben.»
Mark Kuzmanic, Billet.ch
«Mit «Grozny Blues» des italienisch-schweizerischen Regisseurs Nicola Bellucci, der dort beginnt, wo vor einem Jahrzehnt Eric Bergkrauts «Coca – Die Taube aus Tschetschenien» aufhörte, oder dem mit unglaublichen Kampfszenen aufwartenden «The Black Flag» waren in Nyon weitere äusserst starke Beiträge präsent, die Kriege ganz anders zeigten, als sie uns schnelllebige Medienbilder vorgaukeln.»
Geri Krebs, NZZ, Zürich
««Grozny Blues» ist eine leidenschaftliche und dramatische Reise in ein paradoxes Tschetschenien, geteilt durch eine gespenstige Vergangenheit und eine scheinbar post-apokalyptischen Zukunft. Nicola Bellucci erforscht mit intelligentem und sensiblem Blick dieses unsichere Territorium, bringt zwischen den übriggebliebenen Trümmern eine Vergangenheit ans Licht, die aus vollem Halse aus dem Jenseits schreit. (...) «Grozny Blues» will den Geistern, die durch die tschetschenische Hauptstadt wehen, eine Stimme verleihen. Das Murmeln von revolutionären Gesprächen und die dramatischen Kriegsbilder (auf mutige Weise von den drei Aktivistinnen gefilmt, die den roten Faden des Films bilden) sind oft dem irrealen Prunk des Alltags entgegengesetzt, wie ein Schrei, der anstatt in der Unendlichkeit zu verhallen, gegen eine immense Mauer stösst und immer wieder als Echo wiederkehrt.(...) Gewisser Worte beraubt, ensteht eine andere Sprache, die Bellucci meisterhaft einfängt: die der Gesten und Blicke, der Gespenster der Vergangenheit in leeren Häusern und des Gelächters, das in den Ohren der Zurückgebliebenen widerhallt. Die vereinzelten Berichte der wenigen Aktivisten, die noch in Grozny leben und das unglaubliche Archivmaterial, das Bellucci in seinem Film verwendet, erlauben uns, in eine extrem komplexe Realität einzutauchen – die eines erträumten Kaukasus, der zum Albtraum wurde. Ein tiefgründiges und sensibles Werk, das unsere ganze Aufmerksamkeit verdient.»
Giorgia del Don, Cineuropa.org
«Swiss director Nicola Bellucci seems to look upon Chechnya as if it was a testing ground for nuclear weapons. War has ravaged this territory, and the results seem to catch the fresh eye of the foreign artist. After long being at the center of exhausting unrest, the country recently entered a new stage of formal peace. Yet the filmmaker is more interested in civil and spiritual harmony. Bellucci is supported in his quest by the film's main characters, foremost among which is a group of women who documented the war years. Their video images are mixed with Bellucci's post-apocalyptic views as well as archival sources, creating vivid, poetic contradictions, often venturing into the grotesque. The whole film is based on these contradictions: hellish past and gloomy future; archaic traditionalism and unclear globalization. Reformed Grozny seems to be flawless from afar, but reveals its cracks upon closer examination. This makes familiar images strange and unrecognizable: from the challenges of terrorism to a mountain wedding; from conciliatory conformism to vengeful incitement. Yet the street chants heard in Grozny Blues echo the hopeful and forever urgent Woodstock slogans from the past: «The war has ended» and «Give peace a chance.» Bellucci has created an original Chechen postmodern picture, in which past and the future are seperated by an odd and blurry borderline - a tightrope Chechnya's present is cautiously walking on.»
KA, Festival Journal, Yerevan
«Grozny Blues is a haunting, often dreamlike documentary about Chechen people caught between the contradictory pressures of manufactured realities and coerced silences. Right from the beginning, as the film opens with a quotation from Bertolt Brecht, ‘It said in the papers this morning that a new era has begun’ it is clear that director Nicola Bellucci’s documentary Grozny Blues, a masterful work about contemporary Chechnya, is fixated with contrasting today’s Chechnya – the Chechnya of Ramzan Kadyrov – with Chechnya’s past. (...) At the heart of this documentary are four women, and their dedication to preserving memory. During the first Chechen war, they traversed Grozny with a camera; methodically recording the death and destruction they found around them. Recalling those days, they say they had an agreement that if one of them were killed, the others would continue filming, explaining, ‘It’s not that we didn’t care about our lives. We knew that we had an important job to do.’ Bellucci follows these women today as they continue their work, now documenting abuses of Ramzan Kadyrov’s regime. They meet with families of those abducted and killed by Chechen security services, take down details of the kidnappings, listen to their pain. As one of the protagonists says to a visitor whose child disappeared, ‘We cannot find the culprits and punish them, but maybe there are other ways to help you.’ The heroic significance of these women’s work becomes clear when considering the social and political environment in today’s Chechnya. Kadyrov, after assuming the position of head of the republic in 2007, continues to promote pro-Russian ideologies in exchange for support from Moscow. He has balanced elite interests by co-opting them, stabilised the economy, and ruled through his notorious security forces. His total dominance requires absolute allegiance and silence about anything that criticises either the Chechen or Russian regime. The women’s footage, unique and rare, emerges as even more precious with this background – it highlights their efforts to preserve memory as an act of resistance to that dominance. (...)
It becomes clear that those who do not share Kadyrov’s view of the ‘given’ or the ‘natural’ origins of Chechens’ values and national disposition are rejected from the national narrative. By maintaining control over social representations, Kadyrov retains control over the dynamics of national identity, a situation, which highlights internal divisions among the Chechens on a religious basis while simultaneously reducing the political tensions between Chechens and Russians – something Kadyrov has exploited to his benefit. This advantage to Kadyrov has come at a heavy price for the rest of the republic – the price of self-expression. Bellucci exactly captures the silence that permeates everything in Chechnya – the reluctance of children to talk about whether they experience injustice at school, the empty house left behind by one of the women protagonists before she was forced to leave Chechnya for Belgium, and the photographs of the families of the missing and the murdered.»
Karena Avedissian, opendemocracy.net
«Nicola Belluccis Blick auf Tschetschenien in «Grozny Blues» ist voller Sensibilität und Mitgefühl. (...) Dem Film gelingt es Poesie einzuhauchen in die Collage von Stimmen, Gesichtern, Dramen und Lichtblicken, an einem Ort, der aus Schmerz geboren wurde. Die Übergänge zwischen Bilder der kriegsversehrten Stadt und den heute wieder erbauten Plätzen Grosnys sind fliessend; es sind andere Opfer die man sieht und die heute den Opfern von damals die Hand halten. Die Grenzen zwischen der Vergangenheit und dem Jetzt scheinen zu verschmelzen, sodass man sich fragt, ob eine Grenze wirklich existiert.»
Antonella Scott, Il Sole 24 Ore, Italien


ARTIKEL ZUM HERUNTERLADEN (PDF)
«Mut zum Widerstand», Interview mit Nicola Bellucci, von Simon Jäggi, Surprise Magazin, 03.16
«Aus der Zeit gefallen», von Andreas Saurer, Berner Zeitung, 21.03.16
«Preisverdächtig: Der Basler Filmer hat den Grozny Blues», Interview mit Nicola Bellucci, von Marc Krebs, TagesWoche, 18.03.16
«Diese Stille ist etwas Schreckliches», Interview mit Nicola Bellucci, von Susanna Petrin, bzBasel, 16.03.16
«Nicola Bellucci: Grozny Blues», von Sonja Wenger, ensuite, 2.03.16
«Grozny Blues di Nicola Bellucci», von Antonella Scott, Il Sole 24 Ore, 22.01.16
«Film review: Grozny Blues», von Karena Avedissian, opendemocracy.net, 6.08.15
«Reise zu den Berührbaren», Interview mit Nicola Bellucci, von Pascal Blum, Tages-Anzeiger, 18.04.15