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VON HEUTE AUF MORGEN
von Frank Matter, Dokumentarfilm, 95 min., Schweiz 2013
Überalterung, Sparzwang im Gesundheitswesen, Zerfall der Familienstrukturen: Darüber wird in den letzten Jahren viel diskutiert. Doch was verbergen sich hinter solchen Schlagworten für menschliche Schicksale? Was bedeutet Altwerden in unserer hektischen, individualisierten Zeit? «Von heute auf morgen» erzählt die berührenden Geschichten von alten Menschen, die mit Witz, beissendem Humor und einer gehörigen Portion Sturheit um Würde, Selbstbestimmung und einen glücklichen Lebensabend kämpfen.
Mithilfe von Betreuungsdiensten wie der Spitex können immer mehr Menschen bis ins hohe Alter zu Hause bleiben. In der eigenen Wohnung fühlen sie sich geborgen und bewahren bis zu einem gewissen Grad ihre Unabhängigkeit. Sie bestimmen ihren Tagesablauf selber, und sie sind umgeben von den vertrauten Dingen, die sich im Lauf des Lebens angesammelt haben. Ins Altersheim ziehen sie erst, wenn es wirklich nicht mehr anders geht.
«Von heute auf morgen» begleitet vier alte Menschen durch den Alltag und beobachtet, wie sie sich gegen den zunehmenden Verlust von Autonomie wehren. Die 94-jährige Elisabeth Willen fühlt sich oft sehr einsam. Dennoch kann sie sich nicht vorstellen, ihr schönes Haus mit der Aussicht ins Grüne zu verlassen. Ihre Angehörigen und die Mitarbeiter der Spitex müssen ihr beibringen, dass genau dies unausweichlich ist. Doch so einfach lässt sich Elisabeth Willen nicht davon überzeugen, ins Altersheim umzuziehen.
Monique Hofmann träumt davon, ihren Lieblingsschlagersänger Rudy Giovannini wenigstens noch ein Mal persönlich zu treffen. Ihre schwere Krankheit macht es allerdings immer unwahrscheinlicher, dass dieser Traum in Erfüllung geht. Trotzdem gibt sie die Hoffnung nicht auf.
Silvan Jeker und Anny Fröhlich haben grosse Mühe damit, dass sie mehr und mehr auf Hilfe angewiesen sind. Um ihre Autonomie zu verteidigen, leisten sie passiven und aktiven Widerstand gegen die Menschen, die ihnen eigentlich helfen möchten.
Die Angehörigen sind von den Ansprüchen ihrer betagten Verwandten oft schlicht überfordert, oder sie sind zu sehr mit ihrem eigenen hektischen Leben beschäftigt. Für viele alte Menschen sind deshalb die Mitarbeitenden der Spitex die wichtigste Brücke zur Aussenwelt. Die Pflegerinnen und Pfleger besuchen sie täglich, decken ihre medizinischen Bedürfnisse ab und helfen ihnen beim Saubermachen, Waschen und Anziehen. Die Spitex «verwaltet» die alten Menschen im Auftrag der Gesellschaft. Im Gegensatz zu den Betagten, die ihrer Situation auf eine zutiefst existenzielle Weise ausgeliefert sind, ist es für die Pflegenden «nur» ein Job. Ein Job, von dem sie sich nicht unterkriegen lassen dürfen, wollen sie ihre Arbeit gut machen. Die Gratwanderung zwischen professionellem Verhalten und menschlichen Gefühlen ist alles andere als einfach, zumal die Pfleger und Pflegerinnen einem immer stärkeren Spardruck ausgesetzt sind. Oft stehen die Interessen der Individuen gegen diejenigen der zahlenden Gemeinschaft.
«Von heute auf morgen» erzählt von Alltagsritualen, von den kleinen und grossen Kämpfen, von Momenten der Trauer und der Freude, von Hilflosigkeit, Melancholie und den schönen Erinnerungen, die das Leben ausmachen. Immer wieder bringen einem die betagten Protagonisten mit ihrem beissenden Witz und ihrem trotzigen Humor zum Lachen. Doch manchmal bleibt einem dieses Lachen im Hals stecken.
Letztlich dringt «Von heute auf morgen» zu existenziellen Fragen vor, die nicht nur alte Menschen betreffen: Was bedeutet Autonomie? Haben wir die Freiheit eines anderen Menschen zu respektieren, auch wenn wir glauben, dass er nicht mehr selber entscheiden kann, was gut für ihn ist? Wie machen wir das Unausweichliche akzeptierbar und das Unerträglich erträglich? Und was bedeutet es, in einer Gesellschaft zu leben, in der immer grössere Bereiche der zwischenmenschlichen Beziehungen zur bezahlten Dienstleistung werden?
Der Film wurde in den Gemeinden Allschwil und Schönenbuch (BL) in Zusammenarbeit mit der lokalen Spitex gedreht.
Mitwirkende
  • Anny Fröhlich, Monique Hofmann, Silvan Jeker, Elisabeth Willen
  • Marino Klingenberg, Rosmarie Hofer, Miri Fairchild, Felicitas Brun,
    Isabel Gubser, Jeanette Hänggi, Adela Musić
  • Andreas Honegger, Claudia Lanz, Marija Jakić, Carina Sufryn,
    Radmila Stojanov-Iliev,Annick Tanner, Marlis In-Albon, Imelda Coray Kessler,
    Joanna Bar, Marie Wyss, Maja Geitlinger, Corinne Zumsteg, Vreni Stohler,
    Jessica Versel, Claudia Gisske, Michèle Zandonà
  • Anna Oser, Anna Lörracher, Helene Tschachtli
  • Edith Fisch, Luzie Hediger
  • Doris und Bruno Erzer-Fröhlich, Hans-Peter Farner, Hanni Thür-Weisshaupt,
    Gertrud Grossen, Walter Willen, Franz Thür-Weisshaupt
  • Silea Wintsch, Danielle Thürkauf, Litrim Kukaj, Bruno Schweizer
  • Rudy Giovannini
Stab
  • Buch, Regie & Produktion:
    Frank Matter, soap factory GmbH
    Nach einer Idee von Peter Aschwanden
  • in Koproduktion mit
    Schweizer Fernsehen SRF & SRG SSR
  • Kamera:
    Steff Bossert
  • Ton:
    Olivier JeanRichard
  • Zusätzliche Kamera:
    Daniel Leippert, Benedikt Ritter,
    Nicola Bellucci, Tom Bernhard
  • Zusätzlicher Ton:
    Pascal Kreis, Hans Dahler
  • Aufnahmeleitung:
    Franziska Trefzer
  • Produktionsassistentin:
    Loredana-Nastassja Fernández
  • Editing:
    Anja Bombelli
  • Schnittassistent:
    Andreas Arnheiter
  • Musik:
    Victor Moser
  • Standfotografie:
    Dominik Labhardt
  • Tonschnitt:
    Pedro Haldemann
    himex:sounddesign, Solothurn
  • Tonmischung:
    Peter von Siebenthal
    Complex-Projektstudio, Bern
  • Color Grading:
    Steff Bossert
    Ueli Müller, RecTv
  • Titel:
    Zoé Bucher
  • Verantwortlicher Pacte und Koproduktionen bei SRF:
    Urs Augstburger
  • Equipmentverleih:
    point de vue, Basel
  • Projektbuchhaltung:
    Marcel Pfeiffer
  • Untertitel Spotting:
    Nicola Bellucci